19:13 10th Januar 2022

Maori Kultur

Kia Ora,

Teil meiner Erfahrung im Ausland ist es, die neuseeländische Kultur kennenzulernen. Einem fallen immer wieder kulturelle Unterschiede im Alltag wie zum Beispiel der Schule oder der Familie auf. Ich hatte das Glück, eine einzigartige Maori Beerdigung, genannt Tangi, miterleben zu dürfen. Das Besondere an einer Tangi ist, dass man über eine Woche mit dem Körper des Verstorbenen in dem Marae der Familie verbringt. Der Körper darf niemals allein gelassen werden, auch nicht über Nacht. Über die Tage kommen viele Verwandte und Freunde, um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen.

Nach den ersten Wochen in meiner Gastfamilie ist der Opa verstorben und am darauffolgenden Tag hat die Tangi auch schon begonnen. Es kam ein Großteil der engsten Verwandten und Freunden aus ganz Neuseeland und sogar Australien in seinem Haus zusammen, wo der Sarg mit dem einbalsamierten Toten in Empfang genommen wurde. Der Sarg wurde auf eine Matratze mit Kopfkissen gebettet und geöffnet. Anschließend wurden viele Karakia (Maori Gebete und Beschwörungen) abgehalten, Erinnerungen sowie Gedanken geteilt und gemeinsam gesungen. Es wurde natürlich viel um den Opa getrauert und geweint, aber es wurde auch zusammen gelacht. Am nächsten Tag wurde der Sarg in einem Van gefolgt von einer Karawane aus Angehörigen zu einem der Marae meiner Familie gefahren. Dort wurden wir von einer Menschenmenge bestehend aus weiteren Verwandten und Freunden in Empfang genommen und begleitet von einem Karakia im Marae zu Hause willkommen geheißen. Bevor wir das Marae betreten durften, mussten wir alle unsere Schuhe ausziehen und „hereingebeten“ werden. Es war das erste Mal, dass ich ein Marae betreten durfte und von innen sehen konnte. Die Wände und Decke sind verziert mit Symbolen und es hängen Bilder von verstorbenen Verwandten an den Wänden. Nachdem der Sarg wieder geöffnet wurde, mehrere Leute Karakia abgehalten und wir zusammen gesungen haben, gab es ein großes Buffet für alle Anwesenden. Die Kinder und Jugendlichen haben zusammen Rugby gespielt oder sind in die Stadt gegangen, während die Erwachsenen sich unterhalten haben. Über den Tag und die zwei folgenden kamen viele weitere Freunde und Verwandte, um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen und der Familie ihr Beileid auszudrücken.

Die Nächte haben die engsten Freunde und Familienmitglieder zusammen mit dem Verstorbenen im Marae verbracht. Jeden Abend wurden Matratzen auf dem Boden verteilt, welche am nächsten Morgen wieder aufgeräumt werden mussten. Da mindestens 50 Leute zusammen in einem Raum geschlafen haben, war es durchs Schnarchen unvorstellbar laut und man hat nicht viel Schlaf bekommen. Zudem wurden wir jeden Morgen, bevor die Sonne aufging, geweckt, um Karakia abzuhalten.

Am fünften Tag war dann sozusagen der Hauptteil der Beerdigung. Freunde und Verwandte sind im Marae zusammengekommen und es wurden mehrere Reden gehalten, bevor der Sarg zum Friedhof transportiert und anschließend in der Erde begraben wurde. Ein letztes Mal haben alle zusammen gegessen, da es das letzte gemeinsame Essen war, gab es ein „Festmahl“ und der gesamte Raum wurde dekoriert.

Trotz der traurigen Umstände haben mich die Verwandten und Freunde alle herzlich aufgenommen und sich um mich “gekümmert”, sowie mit mir unterhalten und immer freundlich angelächelt. Niemand war unfreundlich oder gab mir das Gefühl, nicht willkommen zu sein. Ich hatte die Möglichkeit, so viele nette Menschen kennenzulernen, die sich alle für mich und meine Kultur interessiert haben. Auch über die Kultur der Maori habe ich so viel lernen können, wie zum Beispiel, dass man seine Nasen aneinander drückt zur Begrüßung (genannt Hongi), und mir wurden Geschichten erzählt und Lieder beigebracht. Die Erfahrung, mit einem Toten eine Woche lang zu verbringen und sogar gemeinsamen in einem Raum zu schlafen, fand ich auch einzigartig. Außerdem habe ich durch die vielen geteilten Erzählungen über den Großvater auch ihn noch ein bisschen kennenlernen können. Ich bin meiner Familie super dankbar, dass sie dieses einzigartige Erlebnis mit mir geteilt haben, und obwohl es eine Beerdigung war, hatte ich eine tolle und unvergessliche Zeit.

Lene

Lene

Opotiki, Neuseeland

Lene verbrachte ihr Auslandsjahr 2019/20 in Opotiki auf der Nordinsel Neuseelands. Hier kannst du sie bei ihren Abenteuern während des Schüleraustausches begleiten.

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