Hello again!
Nun ist schon mein dritter Monat vergangen und damit komme ich an die berühmt-berüchtigte drei-Monate Marke, mit der man nochmal viel mehr ankommt. Ein wirkliches Zeitgefühl habe ich nicht mehr, weswegen ich eben erst einmal durch meine Galerie und meinen Kalender gegangen bin, um nun über den letzten Monat schreiben zu können. 😉
Ich bin Fine und habe die Chance hier auf Salt Spring Island in Kanada meinen 10-monatigen Auslandsaufenthalt verbringen zu dürfen.
Auch wenn ich von Anfang an hier direkt in das alltägliche Leben hineingekommen bin und auch direkt wie ein Familienmitglied und kein Gast gelebt habe, merke ich doch wie ich mit der Zeit noch einmal mehr und weiter ankomme. Für mich ist es so, dass ich noch einmal eine andere Perspektive einnehme, auf neue Details achte und aufmerksam werde und in meinen „Alltag“ noch tiefer eintauchen kann.
Eines meiner Ziele, mit denen ich hierherkam, war es, dass ich mein Heimweh komplett überwinde. Denn früher war ich immer das Heimwehkind. Nun bin ich 10 Monate von Zuhause weg und zwinge mich dazu, darüber hinwegzukommen, was auch erstaunlich gut funktioniert so weit. In den ersten drei Monaten habe ich zwar alle vermisst, aber ich hatte nie den Moment, in dem ich einfach nur geweint habe. Ich bin hier mit der Einstellung hergekommen, dass ich jeden Tag so gut und fröhlich, wie es geht nutzen möchte. Wenn ich Heimweh habe, dann machen sich meine Familie und Freund:innen Zuhause um mich Sorgen und ich verbringe Zeit damit, darüber nachzudenken, was oder wer mir jetzt gerade am meisten fehlt und nicht im hier und jetzt zu sein. Habe ich aber kein Heimweh, sondern vermisse nur einiges, dann kann ich gut Kontakt halten und Spaß haben zugleich und merke einfach wie wertvoll Menschen, Orte und Erinnerungen sind.
Paradoxerweise hilft es mir im Thema Heimweh auch sehr, dass ich 10 Monate bleibe. Zwar ist es eine längere Zeit, aber wenn man einmal an den Punkt gekommen ist, an dem man realisiert, dass man nun eine Weile weg und danach aber auch wieder da ist, dann habe ich mir immer gesagt: wenn schon, denn schon. Dadurch, dass ich nach meiner Ankunft in Deutschland einfach den Jahrgang wiederhole und neu einsteige, als wäre ich nie weg gewesen, kann ich mich jetzt hier auf mein kanadisches Leben konzentrieren und danach wieder in Deutschland sein und denke nicht beide Welten immer parallel. Auch gibt mir meine Aufenthaltsdauer mehr Zeit, um anzukommen, Freundschaften zu schließen und einmal ein volles Jahr in einer anderen Welt zu leben und alles mitzunehmen was geht, wodurch ein wenig Druck, den ich mir selbst aufbauen würde, wegfällt.
An meiner Schule sind 600 Schüler:innen, in den Stufen 9 bis 12, davon 69 Austauschschüler:innen wovon mehr als die Hälfte aus Deutschland kommt. Als ich über einen Auslandsaufenthalt nachgedacht habe, wollte ich immer unbedingt in einen kleineren Ort, wo kaum andere Austauschschüler:innen sind. Auf jeden Fall nirgendswo hin, wo jedes Jahr ganz viele Austauschschüler:inenn sind und ich fast schon der Normalfall bin. Ich hatte Angst vor den Stereotypen und dem Gefühl nur eine von vielen zu sein, an einer Schule, in der alle wissen, dass Du nur für eine kurze Zeit da bist. Auch wollte ich mein Englisch und meine Erfahrungen nicht mit so vielen anderen vergleichen lassen können. Naja nun, es sind jetzt sehr viele Austauschschüler:innen an meiner Schule und das hat nicht nur positive Seiten, aber doch deutlich mehr als ich dachte!
Die Möglichkeit weltweite Kontakte zu knüpfen und ganz viel über verschiedenste Orte der Welt zu lernen, ist einfach total toll! Da wir so viele sind, haben wir auch unsere eigene Ansprechpartner:in direkt in der Schule, die immer ein offenes Ohr für alles und Jeden hat. Das, und die Tatsache in einer ähnlichen Position wie viele andere zu sein und nicht die Erste mit ähnlichen Fragen und Sorgen zu sein, gibt mir immer wieder echt viel Sicherheit.
Wir „Internationals“ hatten ganz am Anfang Aktionen wie einen Einführungstag, einen Pizza-Abend am Strand und einen Ausflug in einen Park für Team-building Spiele. Zudem arbeitet meine Schule mit einer kleinen Outdoor-Activity-Agentur zusammen und bieten Trips für Austauschschüler:innen an. Kanadier:innen könnten in der Theorie mit, aber nur wenn Plätze frei bleiben und das ist nahezu nie so. Dadurch haben sich unglaublich schnell sehr gute Freundschaften innerhalb der „Internationals“ gebildet, aber auch mit Kanadier:innen kann man sich sehr schnell verknüpfen.
Wie alle immer sagen: nutze Hobbie-Angebote der Schule und gehe auf andere zu! Wenn ich darüber nachdenke, wie ich meine kanadischen Freund:innen kennengelernt habe, trifft das auf jeden Fall zu. Die ersten Kontakte konnte ich über’s Schwimmtraining und meine Kurse in der Schule knüpfen. Und dann lernt man nach und nach im Laufe der Zeit einfach immer mehr Gesichter auf dem Schulflur und in der Umgebung kennen. Über andere, über Zufälle, über kleine Gespräche, im Unterricht, bei neuen Hobbies etc.
Oft habe ich auch die Sorge gehört, dass man wegen seines Niveaus auf der Fremdsprache keinen Anschluss finden würde. Die kann ich Dir auf jeden Fall nehmen! Hier war es so, dass die Internationals, die am meisten Schwierigkeiten hatten sich auf Englisch auszudrücken, am schnellsten in einer kanadischen Freundesgruppe drin waren und die meisten sozialen Kontakte geknüpft haben.
Nun beginnt hier Dezember und damit die Weihnachtszeit. Advent und Adventskränze inklusive Adventscafé und Konzerte sind hier leider nicht so verbreitet, aber dafür gibt es hier an jedem Haus und Farm-Stand (= ein Bauernlädchen an der Einfahrt, wo die Familie selbstgemachtes und alles Mögliche aus eigenem Anbau verkauft) Weihnachtsdeko und besonders Lichter!
So sieht das dann in unserer Einfahrt aus:
Liebe Grüße aus Kanada, falls Du irgendwelche Fragen hast, schreibe mir gerne an: fine.saltspring@t-online.de
Fine verbringt ihr Auslandsjahr 2021/2022 auf Salt Spring Island, Kanada. Hier kannst du sie bei ihren Abenteuern während des Schüleraustausches begleiten.